P. Josef Wilfings Inselpost Nr. 8: Kontrastprogramm Ostern
Ich wollte die einst größte Shopping-Mall Asiens, die „Mall of Asia“, besuchen. Sie liegt im neuen Stadtteil, der auf einem Schüttland in der Manila-Bay aufgebaut ist und immer noch erweitert wird. Tricycles sind von dort verbannt, Jeepneys dürfen die Leute nur zum Einkaufszentrum bringen. Allein Taxis sind erlaubt. Das Ganze heißt „Entertainment-City“ oder „City of Dreams“, wie ich auf einem Gebäude lese, mit Casinos, einem Theater, Hotels und einigen Wohnblöcken.
Das ist auch philippinische Realität, aber die Adressaten sind hauptsächlich Ausländer, in deren Ländern Glückspiel verboten ist, vor allem reiche Chinesen und Japaner. Die Gebäude hier haben eine angenehme Hochhaushöhe und ragen nicht so extrem nach oben wie in anderen Stadtteilen Manilas.
Die Kunstwelt Casino. (c) P. Josef Wilfing
Ich streiche ein wenig durch die Mall, in der viele Geschäftsplätze frei sind. In den bestehenden Shops sehe ich nur vereinzelt Kunden. Angesichts des Überangebots stelle ich fest, dass ich eigentlich schon alles habe. Ich esse in einem italienischen Restaurant zu Abend, mit italienischen Preisen, wie mir nachher bewusst wird. Im Theater sehen wir das „Phantom der Oper“. Auf dem Weg zum Auto gehen wir durch das anschließende Casino. Diese Welt war mir bis jetzt ebenso fremd. An den sicher mehr als tausend Spielautomaten und einigen hundert Spieltischen versuchen Menschen jeglichen Alters und beiderlei Geschlechts ihr Glück.
Ich bin wieder einmal wie ein Kind, das das erste Mal in eine Stadt kommt und fragt: Ist das alles wirklich? Ich habe nur ein wenig von der Oberfläche dieser Welt gesehen. Ich weiß nicht, in welcher Stimmung viele Menschen das Casino verlassen und wie es den betroffenen Familien geht. Letztendlich bin ich froh, dass wir wieder in „meine“ Welt zurückkehren. Ich weiß nicht, wie ich in dieser anderen Welt leben würde?
Müllmenschen
Gut zwei Wochen später hatte ich Kontrastprogramm. Sr. Wioletta nahm mich zu einer Müllhalde mit, an deren Rand mehr als hundert Menschen leben und mit der Sortierung und Verbrennung von Müll etwas Geld verdienen. Sie kommen oft aus anderen Provinzen oder sogar von anderen Inseln. Sr. Wioletta hatte von der polnischen Caritas Geld bekommen und dafür Reis und andere Grundnahrungsmittel besorgt. Für die Kinder gab es Chips.
Die Ausläufer der Müllhalde hinter den Hütten. (c) P. Josef Wilfing
Im gewissen Sinn hatte ich noch Glück, weil ich außerhalb der Regenzeit dort war und ein Teil des Müllbergs bereits abgetragen war, unter anderem durch Abbrennen. Es war daher nicht schlammig und hat auch kaum gestunken. An einer Stelle zwischen den Hütten und der Müllhalde hat man eine kleine Kapelle aus Sperrplatten errichtet.
Die Kinder spielen in der Kapelle. (c) P. Josef Wilfing
Als ich dorthin komme, nützen die Kinder die Kapelle gerade für ihre Spiele – brav und ruhig. Die Koordinatorin vor Ort ruft die Leute zusammen. Dann bekommt jede Familie etwas zugeteilt. Man kann Dankbarkeit und Freude sehen, aber alles sehr verhalten. In der Pfarre wird für diese Menschen eine Weiterbildung angeboten, die von einigen genützt wird. Dabei geht es vor allem um Kenntnisse aus der Grundschule. Manche sind nicht zu aktivieren.
Zur Pfarre Tanza gehören etwa 70.000 Katholiken, die von einem einzigen Pfarrer betreut werden. Seine Kirche, die gerade erweitert wird, weil sie schon lange nicht mehr alle Menschen fassen kann. Zusätzlich hat er Messen in elf Dorfkapellen, die zu seinem Gebiet gehören. Der Kirchenbau geht nur langsam voran, weil es in seiner armen Pfarre vor allem an Geld fehlt.
Philippinen
Anfang Mai finden hier die Midterm-Wahlen statt. Viele haben Angst, dass die Partei des Präsidenten auch im Senat die Mehrheit bekommt. Er hat schon versprochen, dass er dann alle seine Kritiker verfolgen wird. Nicht umsonst pflegte seine Familie immer schon freundschaftliche Kontakte zur Familie des ehemaligen Diktators Marcos. Einige Abgeordnete der Oppositionspartei sind zur Duterte-Partei gewechselt. Die Gründe liegen im Verborgenen, aber das gibt Sicherheit.
Unsere Studenten
Ich selber hatte eine intensive Zeit, wo ich viel mit den Studenten zu tun hatte. Sieben junge Männer bereiten sich auf die ewige Profess und die Diakonatsweihe vor, zwei Philippinos, vier aus Vietnam und einer aus China, der aber vermutlich nicht zurückkehren und dort wirken kann. Die Staatskirche dort ist gänzlich dem Staat untergeordnet. Die Bischöfe – vermutlich im Auftrag der Regierung - geben daher kaum jemandem Arbeit, der im Ausland studiert hat. Vom anderen Haus in Manila aus besuchen fünfzehn einen Englischkurs, der Voraussetzung für ein weiteres Studium ist. Viele sind leider sehr schwach. Der Englischunterricht in den Schulen der Heimat ist wenig ergiebig. Die Studenten aus Ost-Timor, besonders in den entlegenen Gebieten, haben bisweilen Englischlehrer, die selbst kein Englisch sprechen. Daher tun sich viele im Kurs sehr schwer. Wie viele letztendlich die Prüfung schaffen werden, wissen wir noch nicht. Wenn es jemand nicht schafft, aber große Fortschritte verzeichnet, wird ihm ein zweites Jahr gegeben. Für viele ist dieses Studium die einzige Chance, aus den beengten häuslichen Verhältnissen herauszukommen, da sich ihre Familie die Kosten des Studiums nicht leisten könnte. Von unserem Haus haben sich alle Studenten des vierten Jahres für das Noviziat angemeldet. Im vergangenen Jahr haben vier das Noviziat vorzeitig verlassen. Dass die jungen (oder nicht mehr so jungen) Menschen zu einer richtigen Entscheidung kommen, ist auch mit ein Zweck des Noviziats.
Besuche
In der Zwischenzeit durfte ich wieder zwei Besuche begrüßen. Zuerst war das der Sohn eines ehemaligen Schulkollegen mit seiner Freundin. Mit ihnen ging ich durch Manila und besuchte die Slumschule mit einem kurzen Spaziergang durch einen der Teile, der 80.000 Bewohner haben soll. Am folgenden Tag wanderten wir zum Taal-Vulkan, dem kleinsten der Welt, wenn es stimmt. Das alles bei großer Hitze und staubig.
Simone und Tina beim Wasserfall (halb verdeckt). (c) P. Josef Wilfing
Ende März und noch einmal Mitte April hatte ich die Freude anlässlich ihres Urlaubes einen ehemaligen Hausgast aus Temesvar zu begleiten. Mit Martina kam auch Simone zu einem etwas abgeänderten Manilaprogramm.
Das erste Mal besuchte ich die Divisoria, den größten Markt der Stadt. Viele der Slumbewohner arbeiten hier für geringes Geld oder putzen zu Hause Zwiebeln und Knoblauch, der hier an die Hotels und Restaurants verkauft wird. Die Lehrerin, die uns begleitete, konnte uns auch einige ehemalige Schüler vorstellen. Man braucht einen Gymnasialabschluss, um eine gewöhnliche Arbeit entweder auf einer Baustelle oder im Verkauf zu erhalten. Für jede höherqualifizierte Arbeit braucht man einen College-Abschluss. Beide durfte ich auch ins Gefängnis zur Messe mitnehmen und am folgenden Tag mit ihnen zu einer weiteren Sehenswürdigkeit des Landes fahren. Die Schlucht und der Wasserfall von Pagsanjan sind wirklich ein sehenswerter Teil der philippinischen Natur.
Karfreitag und Ostern
Mit Tina und Simone erlebte ich auch den ersten Teil des zweiten Kontrastprogramms. Am Karfreitag hatte uns P. Prasad nach Pampanga eingeladen, wo die „Kreuzigungen“ stattfinden. Auf dem Weg dorthin begegnete uns schon eine Prozession, die offensichtlich den Kreuzweg betete, unter denen aber auch Männer waren, die sich mit einer Geißel schlugen. An unserem Zielort angekommen, wurden wir schon durch Straßensperren an der Zufahrt gehindert. Die letzten paar hundert Meter machten wir zu Fuß.
Auf dem Kreuzigungshügel: eine Vorprozession mit Geißlern und ihren Begleitern. (c) P. Josef Wilfing
Die „Veranstaltung“ war für elf Uhr angesetzt. Ein kleiner Hügel ist aufgeschüttet, den man über eine Rampe erreichen kann. Davor ein Zelt für zahlende Gäste nächst den drei Kreuzen. Am Rande des staubigen Platzes wird unter den Zelten alles angeboten, was man braucht: Getränke, Essen, Zigaretten, Sonnenbrillen usw. Immer wieder kommen kleine Gruppen von Männern, die sich geißeln. Sie werden immer von ein paar Personen begleitet, darunter auch Kinder. Die Bischöfe sprechen gegen diese Aktionen. Organisiert wird das Ganze durch den Fremdenverkehrsverein und auch im lokalen TV übertragen. Nachdem das Ereignis immer mehr nach hinten verschoben wird, fahren wir ab, ohne eine Kreuzigung gesehen zu haben. Ich bin ehrlich gesagt froh darüber.
Das Kontrastprogramm dazu gab es bei der Messe am Ostermorgen in unserem Dorf. Während einer Prozession wird die legendenhafte Begegnung von Maria mit dem auferstandenen Jesus gespielt. Zwei Statuen stehen dabei für die beiden Personen. Nach der Begegnung auf halbem Weg ziehen beide Gruppen mit den beiden Statuen begleitet von den kleinen Mädchen als Engel gekleidet zur Kirche, wo der Ostermorgengottesdienst gefeiert wird.
Die Osterengel nach vollbrachter Arbeit in der Kirche und in fröhlicher Unterhaltung. (c) P. Josef Wilfing
Haus-Renovierung
Noch ganz unprosaisch: Die Renovierungen am Haus schreiten langsamer voran als geplant. Es wird auch mehr gemacht als ursprünglich geplant. Jetzt werden die Gemeinschaftsräume im Inneren des Hauses ausgemalt. Der Staub erfüllt das ganze Haus. Danach müssen einige Moskitogitter erneuert werden, da diese von den Katzen ständig als Kletterobjekt genützt werden. Wieder einmal lebe ich auf einer Baustelle. Ich glaube, das ist die sechste, seit ich bei den Salvatorianern bin.
Ich möchte auch zwei persönliche Nachrichten berichten.
Letzte Woche ist meine einzige Tante im Alter von 95 Jahren gestorben. Und hier man hat mir das Amt eines Ökonomen für das Vikariat übertragen. Ich muss das Geld verteilen, das wir haben und das wir nicht haben. Wenn man Geld hat, hat man viele Sorgen, wenn man keines hat nur eine einzige.
Auf Mindoro: Blick vom Balkon über die Anlage mit kleinen Häusern zum Meer. (c) P. Josef Wilfing
In der Woche nach Ostern haben wir mit den Brüdern, die nicht zu den Ferien nach Hause fuhren, drei Tage am Meer verbracht. Auch dieses Mal wieder mit einem noch umfangreicheren und schönen Schnorchelausflug (leider ohne Unterwasserkamera) verbunden.
Ich grüße euch herzlich von der Insel
P. Josef Wilfing
(Talon, 29. April 2019)