P. Josef Wilfings Inselpost Nr. 9: Die Wahl der Qual
Es stellt sich die Frage: Entweder hat sich das Verhalten gebessert oder haben nur die potentiellen Opfer aus Angst auf die Seite der Täter gewechselt, sodass sie deren Macht nicht mehr gefährden. So hat nach der letzten Wahl eine nicht geringe Zahl von Senatoren der Opposition sich der Regierungsseite angeschlossen. Mit dieser Mehrheit will der Präsident eine Verfassungsänderung durchbringen, die aus den Philippinen einen föderativen Staat macht. Das würde den Einfluss der ohnehin schon dominanten Clans weiter festigen. Ausländer sollen dann auch uneingeschränkt Besitz erwerben können. Der Präsident könnte für mehr als zwei Perioden, eventuell auf Lebenszeit, gewählt werden.
Das spanische System der „Großgrundbesitzer“ besteht weiter. Einigen Familien lassen sich gewisse Provinzen oder Städte zuordnen. Die uns nächste Stadt Tagaytay „gehört“ der Familie Tolentino, und der Familie Duterte die Stadt Davao usw. Die wichtigsten Ämter sind seit Generationen in den Händen dieser Familie – durch freie Wahlen. Die Wahlen, als Beitrag des amerikanischen, demokratischen Systems, erlauben den Menschen, sich ihre Herren selber zu wählen.“
Problematisches Gesundheitssystem
Man sagt, dass mehr als 60% der Philippinos Zugang zum Gesundheitssystem hätten. Man sagt nicht, wie viele sich die Dienste dieses Systems leisten können. Das ist meines Erachtens nur ein kleiner Teil dieser 60%. Ein Arztbesuch kostet etwa neun Euro. Man wird dann von einem Allgemeinmediziner zu einem Facharzt überwiesen – mit weiteren Kosten. Dieser schickt zu einer Bluttest oder einer anderen Untersuchung. Die Auswertung einer Blutuntersuchung kostet etwa zehn Euro, ein gesamtes Blutbild um die fünfzig Euro. Jeder zusätzliche Wert der Untersuchung muss extra bezahlt werden. Der (höchste) Mindestlohn (in den Provinzen unterschiedlich festgelegt) liegt bei etwa neun Euro pro Tag. Wer auf dem Markt „Divisoria“ in Manila als Träger arbeitet, kann mit Glück vier oder vielleicht sogar bis zu acht Euro verdienen. Das reicht nicht einmal für einen Arztbesuch (neun Euro).
Bevor man mit der Ambulanz in ein Krankenhaus eingeliefert wird, ist der Fahrtpreis zu bezahlen oder man wird am Ort belassen unabhängig davon wie schwer die Verletzung ist. (Dafür steht das einzige Beispiel, von dem ich weiß. Das soll allgemein so gehandhabt werden. Die Ambulanzbetreiber sind privat.) Deswegen ist unsere „Medical Mission“, die auch dieses Jahr wieder organisiert wurde, ein wichtiger Beitrag besonders für Bewohner der Berge auf Mindoro. Leider konnte ich nicht teilnehmen, da ich bereits andere Verpflichtungen hatte.
Neue Novizen
Für zweieinhalb Wochen lebte ich mit den Novizen, weil der Novizenmeister an einem Weiterbildungsseminar in Rom teilnahm. Fünf Tage davon waren wir zu Exerzitien in einem anderen Haus. Das Noviziat ist bei der Kongregation der Afrikamissionare (SMA) eingemietet. Das Gelände mag etwa 4ha groß sein. Es umfasst drei Gebäude und einen großen Park mit Landwirtschaftsflächen. Man hat P. Hubert, einem Schwaben, erlaubt, einen Teil der Flächen selbst zu bepflanzen. Das sind vor allem Stauden von sechzehn der einundzwanzig hier vertretenen Bananensorten. Es gibt praktisch immer frisch gereifte Bananen am Tisch. Zeitweise, wenn die Ernte zu groß ist, werden auch die anderen Niederlassungen damit beliefert.
Zum Spaziergang oder zum Laufen muss ich hier nicht vom Grundstück sondern finde alles innerhalb vor. Am besten gefällt mir dieser Ort im Licht der Morgensonne. Der Platz ist bereits um einige Grade wärmer als Talon, weil er tiefer liegt. Die angenehmsten Plätze findet man im Schatten der Bäume außerhalb der Zimmer. Die sechs von zehn verbliebenen Novizen, vier haben während des Jahres entdeckt, dass dies doch nicht ihr Weg ist, werden am 16. Juni die erste Profess ablegen. Von diesen gehen drei nach Indien zurück, zwei werden im internationalen Ausbildungshaus in Rom studieren, einer bleibt zum Studium in Manila.
Die Zeit um den 16. Juni herum ist immer mit großen Umwälzungen verbunden. Das ist die Zeit von Abschluss und Neubeginn. Das begann am 15. Juni mit der Aufnahme von sieben jungen Männern ins Noviziat: drei Philippinos, einer aus Vietnam, zwei aus Indonesien und einer aus unserer Pfarre in Temesvar (Bild weiter oben).
Große Feste
Für das noch nicht fünfundzwanzig Jahre alte Vikariat gab es am 16. und 18. Juni zwei große Feste. Sieben Studenten hatten ihr Studium abgeschlossen und legten die Profess auf Lebenszeit ab. Mehr als fünfzig Gäste waren aus Vietnam angereist. Zwei Tage später empfingen sie durch den Bischof von Manila/Cubao die Diakonenweihe. Das ist die größte Gruppe unserer Studenten, die nach etwa zehn Ausbildungsjahren abgeschlossen hat. Da gehört dazu, dass immer wieder welche im Laufe der Jahre einen anderen Weg wählen.
Der vorhergehende Jahrgang war zu Gänze ausgefallen. Vier der diesjährigen Kandidaten stammen aus Vietnam, zwei von den Philippinen und einer kommt aus China. Er wird sein einjähriges Praktikum als Diakon in China absolvieren. Ob er nachher in seiner Heimat arbeiten wird können, wo auch die sogenannte „Patriotische Katholische Kirche“, die vom Staat anerkannt ist, manchen Beschränkungen unterliegt oder im Ausland ist noch nicht festgelegt.
Bei der Diakonenweihe: Andrew (China), James + Hoselito (Phil.), Paul, Dominic, Paul, Andrew (Vietnam). (c) P. Josef Wilfing
Manches Mal ist es auch schwer, mit den Bischöfen zusammenzuarbeiten, weil diese ebenfalls unter Kontrolle stehen. Fünf Mitbrüder arbeiten bereits dort aber oft Flugstunden voneinander entfernt. Vielleicht kann ich zumindest einen von ihnen noch in diesem Jahr besuchen. Einer der neuen Diakone wird zum Praktikum nach Australien gehen.
Beim letzten Generalkapitel wurde eine stärkere Zusammenarbeit unseres Vikariates mit der australischen Region vereinbart. Die Kirche in Australien erlebt wegen der Missbrauchsvorwürfe gegen Kardinal Pell und gegen andere Priester heftigen Gegenwind in der medialen Öffentlichkeit. Die Mitglieder der Pfarreien wissen aber zwischen dem einen und dem anderen zu unterscheiden.
Von den fünfzehn Englischstudenten sind sechs, die die Prüfung geschafft hatten, von Manila/Loyola in unser Haus übersiedelt. Sechs gehen nach Hause und drei haben ein zweites Jahr zugesprochen erhalten, um eventuell die nötige Qualifikation zu erlangen. In diesem Jahr werden bei mir im Haus 26 Brüder wohnen, drei mehr als im Vorjahr. Drei aus Sri Lanka kommen hier her, weil sie wegen der Visa-Beschränkungen nicht in Indien studieren können.
Nachdem ich seit Januar aber noch einmal vermehrt seit Ostern sehr viel zwischen Manila, Talon und Silang unterwegs war, darf ich seit 19. Juni wieder vermehrt zu Hause sein. Ein Teil dieser Fahrten hing mit meiner neuen Aufgabe als Finanzverantwortlicher für das Vikariat zusammen, das mir übertragen wurde. Am schwierigsten war es, alle nötigen Dokumente bereitzustellen. Man könnte fast sagen: Je weniger entwickelt umso mehr Dokumente müssen ausgefüllt werden. Diese sind letztlich so umfangreich, dass sie niemanden mehr interessieren.
Zeit für Sightseeing
Ich selbst nehme mir hin und wieder Zeit, vor der Rückfahrt in Manila etwas Touristisches anzuschauen. Der chinesische Friedhof liegt in der Stadt Santa Cruz/Metro Manila. Der Präsident schimpft gegen die Verschmutzung der Manila-Bay aber der alltägliche Mist, der von den Flüssen dorthin gebracht wird, wird übersehen. Und weil schon etwas da ist, kann man noch etwas dazu legen.
Der "Müllbach" in Santa Cruz. (c) P. Josef Wilfing
Nach dem Blick in den „Müllbach“ verirrte ich mich noch in eine enge Siedlung, die für Autos nicht mehr zugänglich ist, die aber im Zentrum einen schönen Platz (natürlich auch für Basketball geeignet) und ein Gasthaus hat. Männer und Frauen saßen an Spieltischen. Zwei Frauen, die offensichtlich errieten, was ich wollte, schickten mich dann durch die engen Gassen weiter zum Friedhof.
Grabstätte mit Wohneinheit im Obergeschoß. (c) P. Josef Wilfing
Dieser ist eine Stadt für die Toten mit Familiengruften, die Dorfkapellen gleichen oder bisweilen die Größe von kleineren Kirchen haben. Im Innern ist Platz für die gemeinsamen Mahlzeiten zu Allerheiligen vorgesehen. Bisweilen gibt es eine Etage mit einer Wohneinheit. Bei den ärmeren Grabstätten wird zu Allerheiligen der frei stehende Sarkophag mit einer Zeltplane überdacht und so Platz für das gemeinsame Essen geschaffen. Das Gerüst bleibt bis zum nächsten Jahr stehen.
Chinesisch-buddhistische Grabstätte. (c) P. Josef Wilfing
Dieses Mal hatte ich mehr Internes zu berichten mit einem nur kleinen Ausblick in die Gefühle des Landes.
Ich grüße euch herzlich von der Insel
P. Josef
Talon, 21. Juni, 2019