P. Josef Wilfings Inselpost Nr. 11: Das Problem Heimweh
Liebe Freunde und Bekannte,
ich schicke euch wieder ein paar Nachrichten von den Philippinen. Ich bin jetzt 20 Monate hier. Einerseits habe ich ein gewisses Heimatgefühl für diesen Barangay entwickelt, andererseits ist es nicht Europa und nicht Österreich. Ich lerne immer wieder hinzu und mache manches Mal auch meine Fehler. Vor allem mit Wörtern muss ich vorsichtig sein. Die Philipinos verstehen manches Hintergründige nicht so gut.
Es ist jetzt schon einige Zeit vergangen, in der ich mich nicht gemeldet habe. Die Regenzeit ist hoffentlich bald vorbei. Bisweilen lässt sie uns tage- oder wochenlang keine Sonne sehen. Das ist länger, als es in Europa im November der Fall ist. Voriges Jahr waren es fast eine drei Monate lange Periode, in diesem Jahr doch nur einige zusammenhängende Wochen. Für Spaziergänge ist das Wetter zu unsicher, wenn man den Schirm vermeiden will wie ich.
Vieles, an das ich mich nicht gewöhnen kann, wird mit der Zeit so normal. Dazu gehören so unterschiedliche Umstände wie, dass ich mich zwischendurch mal wundere, dass man kein Kleidung für den Winter braucht.
Die unterschiedlichsten Verkehrsprobleme tauchen auf wie der zwischenzeitliche Zusammenbruch aller drei Bahnlinien in Manila innerhalb einer Woche. Der Sprecher des Präsidenten sagte, dass noch jeder seine Arbeitsstelle erreichen könne. Er sagte nichts mehr als er innerhalb Manilas vier Stunden bis zu seiner Arbeitsstelle brauchte.
Der Straßenbau hinkt der Errichtung von Industrie- und Wohnbauten hinterher, sodass Staus Alltagsbrot sind. Es kann nur ärger werden. Man arbeitet seit Jahren an Lösungen, die alle verworfen wurden. Keine Lösung ist auch ein Lösung.
Kampf gegen Drogenhandel
Der Kampf des Präsidenten gegen den Drogenhandel mit tausenden Toten wird von den eigenen Leuten ad absurdum geführt. Die krassesten Beispiele sind Polizisten, die bei Razzien gefundene Drogen weiterverkaufen, oder Gefängniswärter, die es den Insassen des Hochsicherheitstraktes ermöglichen, von der Zelle oder einem Krankenzimmer aus weiterhin einen florierenden Drogenhandel zu betreiben.
Im selben Gefängnis hat man im Hochsicherheitstrakt Möglichkeiten gefunden sich mit TV, Handy und anderem Luxus einzurichten, während im überbelegten Normalbereich jährlich 20% der Insassen an dieser Überbelegung, mangelnder Krankenversorgung oder an Unterernährung sterben. Manches Mal wird nicht einmal der gering bemessene Betrag für die Mahlzeiten zur Gänze für die Gefangenen verwendet. Von den „schweren Jungs“ konnten sich manche wegen „guter Führung“ eine vorzeitige Entlassung erwirken (nachdem sie sich vielleicht durch Drogenhandel die nötigen Mittel erwirtschaftet haben).
Eigentlich wollte ich dieses Mal die betrüblichen Aspekte des politischen Lebens nicht berücksichtigen, aber es hat sich einfach aufgedrängt.
Problem Heimweh
Ich möchte jetzt zu unserem Bereich übergehen. Wir müssen die Ziele einer internationalen Ausbildung und die damit verbundene Arbeit nicht einfach durch die rosarote Brille sehen. Ein Problem ist das „Heimweh“. Auch wenn manche es von sich aus wünschen, auf den Philippinen zu studieren und Priester zu werden, geben sie bisweilen nach den ersten Wochen in der Englischschule auf, weil die Heimat fehlt. Andere schaffen nicht die Qualifikation für Englisch, obwohl sie in ihrem Heimatland gute Noten hatten. Bisweilen sind es Probleme, die sich aus der internationalen Zusammensetzung ergeben, die wir aber nicht aufgeben wollen. Der Gewinn, den die jungen Leute haben, ist ungleich größer.
Feier am 8. September
Wir durften am 8. September ausgiebig feiern. Zum Jubiläum 25 Jahre Ordensprofess des Superiors P. Adam hatten wir viele Gäste eingeladen. Damit auch die Salvatorianerinnen teilnehmen konnten, wurde die Professerneuerung von zwei jungen Schwestern, Sr. Maritess und Sr. Grace, in die Feier aufgenommen. Es war das erste Mal, dass eine Professerneuerung der Schwestern in unserem Haus stattgefunden hatte. Da waren schon einmal sechzig Studenten, die hier ihre Ausbildung machen.
Das Einschenken von Wein und Sekt gehört immer noch zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, auch wenn es nicht so viele Möglichkeiten gibt. Hier mit P. Prasad (Indien), P. Adam (Polen) und P. Wilson (Phil). Im Hintergrund Sr. Grace. (c) P. Josef Wilfing
Dazu kamen die Salvatorianerinnen, die Ursulinen-Schwestern, mit denen wir sehr verbunden sind, und Mitarbeiter der Pfarre, die uns nahe stehen. Die Kapelle war wieder einmal voll, wie sie es manches Mal nur an den Donnerstagsgottesdiensten mit der Jugend des Dorfes ist. Das Mittagessen war noch durch Musik- und Tanzbeiträge ein wenig aufgelockert.
Für den Nachmittag hatte P. Adam die Jugendlichen, Kinder und Ministranten eingeladen, die die Merienda und das Zusammensein bei der Musik unserer Band ebenfalls genossen.
Pfarrarbeit
Ein kleines Update zur Pfarrarbeit kann ich insoweit geben, da wir zu den Pfarrfesten in Mendes (am 28. August, P. Florensio) und General Trias (am 4. Oktober; Br. Joselito) eingeladen waren. Die Stadt hat heute etwa 350.000 Einwohner.
Die Hauptpfarre von General Trias wurde im 17. Jahrhundert von den Franziskanern gegründet und zu ihr gehören heute mehr als 100.000 Katholiken. Jeden Sonntag gibt es etwa 25 Taufen, am Pfarrfest waren es ca. fünfzig. Der Prozentanteil der Kirchgänger muss nicht sehr hoch sein, dass die sieben Sonntagsmessen in der Pfarrkirche überfüllt sind, dazu gibt es noch die Messen in acht Kapellen, die zur Pfarre gehören.
Die Arbeit ist auf einen Pfarrer, seit kurzem auch auf einen Kaplan und ausnahmsweise auch auf einen Diakon, aufgeteilt. Die Bevölkerung wächst wegen der Industrieansiedlungen und der Manilaflüchtlinge. Darum gehören Haussegnungen in den Subdivisions nach den Messen und Taufen zu den häufigsten Aufgaben. Die aufmerksamen Mitarbeiter sind dann Vermittler für Krankensalbungen und andere pastorale Tätigkeiten.
Das ist auch bei uns im Barangay so. Bei meiner letzten Krankensalbung kam wurde ich in ein Haus geholt, in dem der kranke Vater Katholik war, die Tochter gehörte zur „Church of Christ“ und die Nichte ist Adventistin. Deren beide Gottesdienststätten sind nicht einmal hundert Meter von unserer Dorfkapelle entfernt. Die Nichte, die mich holte, wurde von einer Mitarbeiterin der Pfarre begleitet. Die kirchliche Vernetzung funktioniert, auch wenn kein Pfarrer „vor Ort“ ist. Man weiß, an wen man sich wenden kann, damit einem weitergeholfen wird. Die Leute kommen dann einfach zu unserem Haus. Irgendwie können wir fast immer helfen.
„Prison Awareness Week“
Wie im vorigen Jahr habe ich mich auch heuer wieder in der „Prison Awareness Week“ engagieren lassen. Im Stadtgefängnis von Silang wurde am Montag den 21. Oktober gefeiert. Nach der Messe gab es dann wieder verschiedene Vorführungen, einmal in szenischen Spielen und dann mit Musikbeiträgen. In den selbst entwickelten Szenen spielt sehr häufig der Kampf zwischen Gut und Böse eine Rolle. In den Lieder singen viele über Jesus und den Glauben, den sie im Gefängnis gefunden haben. Viele sind unter schwierigsten Bedingungen aufgewachsen und erfahren im Gefängnis (paradox?) erstmals so etwas wie Zuwendung. Die Gefangenenseelsorge hat in unserem Bereich für viele eine Hoffnung gebracht.
Danach war ich noch fünf Tage in China, aber darüber möchte ich eine gesonderte Reflexion schreiben, weil es eine besondere Erfahrung war.
Kurznachricht von Paula: Sie hat hin und wieder einen Festtag so wie gestern und heute. Gestern gab es Eiscreme, heute Reiskuchen und Banane. Vielleicht ist das nicht artgerechte Ernährung, aber sie genießt alles, was süß ist.
Ich hoffe, dass es euch gut geht und ihr gesund seid. Bei mir selbst ist das meiste in Ordnung. Mein Bauch ist fast zur Gänze verschwunden, da ich mich zurückhalten muss.
Dann bin ich auch für das Geld zuständig, wie ich vielleicht schon einmal erwähnt habe. Da ich nicht mit dem Einkauf beschäftigt bin, wofür ich dankbar bin, beschränkt sich meine Aufgabe auf die zeitgerechte und vorausschauende Zuteilung. Die Vorausschau war bis jetzt eher unterentwickelt, obwohl das wichtig ist, wenn man immer knapp bei Kasse ist. Irgendwie geht es immer. Das war in Gurk so und das war in Temesvar so. Wenn ich zu viel Geld hätte, würde ich vielleicht unvernünftig werden. So bin ich mit den Verhältnissen zufrieden.
Ich grüße euch herzlich von der Insel
P. Josef
Talon, 3. November 2019