P. Josef Wilfings #Inselpost Nr. 12: Dienstreise nach Bohol
Liebe Freunde und Bekannte,
ich bringe noch einen Nachsatz zu China einer Zeitungsnotiz folgend. Dort hat sich seit der Öffnung vor etwa vierzig Jahren durch die schnelle wirtschaftliche Entwicklung eine breite Mittelschicht von etwa 800 Millionen Menschen gebildet. Viele Leute haben ihre Landwirtschaft aufgegeben und sind in die Städte gezogen, wo sie in den Fabriken Arbeit gefunden haben. – Ich erinnere gleichzeitig an das Problem der verlassenen Dörfer. - Wenn ich willkürlich eine Oberschicht von etwa hundert Millionen Bürgern schätze, bleiben immer noch dreihundert Millionen, von denen man nicht weiß, ob sie arm oder reich sind.
"Bewusst wegschauen." Die Tarsier sind sehr scheu. Während des Tages schlafen sie. Wenn sie sich gestört fühlen, werden sie ärgerlich. (c) P. Josef Wilfing
Bohol
Einen sehr liebevollen Eindruck vom Inselstaat bekam ich bei meiner „Dienstreise“ nach Bohol, wo sich 325 Prokuratoren von Orden zur Weiterbildung trafen. Das für mich Wichtigste war, etwas über den Umgang mit den Behörden zu lernen. Nach den Berichten der anderen verfahren diese oft sehr willkürlich und ohne das Gesetz zu kennen, das sie exekutieren sollen.
Wie man an solche Posten kommt, weiß man nicht. Man muss sich dann wie Sr. Teresa von den Salvatorianerinnen wehren. Sie weigerte sich einfach verfügte 150.000 Pesos an Steuern zu zahlen, da sie ja von den Steuern befreit sind. Der anwesende Rechtsanwalt ermutigte sie, konsequent zu bleiben. Ihre Schule, die in einem Armenviertel nahe der Stadt Cebu gelegen ist, gibt 40% der Schüler ein Stipendium. Viele Vorschreibungen sind willkürlich und nicht durch das Gesetz gedeckt. Der Staat möchte einfach zu dem Geld kommen, das er in anderen Bereichen nicht kassiert oder unverhältnismäßig hohe Nachlässe gewährt. Der Konferenzsaal war prächtig, das Essen gut, die Unterkunft einfach – mit meiner Matratze auf dem Boden und fünf Männern in einem Zimmer. So konnten wir uns vermutlich auch das „Bohol Tropics“ zum halben Preis leisten.
Auf der Schmetterlingsfarm. (c) P. Josef Wilfing
Tagbilaran
Der Hauptstadt Tagbilaran sieht man das Provinzhafte an. Die Häuser sind maximal dreistöckig. Sie w erden nur von den Shopping-Malls und vielleicht einigen Hotels überragt. Immer wieder fallen einem die Häuser im Kolonialstil mit einem Obergeschoß aus Holz auf. Der Straßenverkehr ist unvergleichbar entspannend. Jeder Tourist besucht die Chocolate Hills, wo sich im Sommer die Hügelkuppen braun verfärben.
Wir trafen diese Hügelchen leider in der Spinatzeit – Regenzeit - an. Das Mittagessen wurde auf einem schwimmenden Restaurant am Loboc-River serviert. Ich löste mich kurz von der Gruppe, um einen Blick in das Innere der Kirche von Loboc werfen, die vor etwa fünf Jahren durch ein Erdbeben (Stärke 7,2) vollkommen zerstört wurde. Fünf dieser Kirchen sind bereits wiederhergestellt, mehrere aber sind noch wegen Einsturzgefahr oder Renovierungsarbeiten geschlossen. And dieser Kirche wird man noch einige Jahre arbeiten, will man sie doch einigermaßen authentisch mit den alten Steinen wiederherstellen.
Ausschnitt der Fassade der Kirche von Loob, die zur Gänze zerstört war. Man sie die Stahlbetonstruktur und die bereits wieder eingefügten Originalsteine. (c) P. Josef Wilfing
Ich hatte meinen Aufenthalt verlängert, um noch in Begleitung von zwei Schwestern ein Reservat der Tarsier (siehe oben), dem kleinsten existierenden Affen, und eine Schmetterlingsfarm zu besuchen. Die Philippinen beherbergen einige seltene Exemplare davon. Durch noch weitgehend unberührte Natur mit entsprechenden Verkehrswegen und durch entlegene Siedlungen sehen wir, wie man dem Gelände durch Terrassen jeden Quadratmeter für den Reisanbau abgerungen hatte. Jetzt allerdings sind viele Flächen wieder überwuchert. Die Menschen ziehen in die Stadt oder auf die Insel Luzon, wo sie auf Arbeit hoffen. Die Mag-Aso Wasserfälle sind zwar nicht sehr hoch doch reich an Wasser mit einem natürlichen Becken davor, das zum Schwimmen einlädt. Auf dem Rückweg stoppten wir noch kurz bei der Kirche von Loob, die auch ein Erdbebenschiksal erlitt. Man errichtet jetzt eine Struktur aus Stahlbeton, die mit den alten Steinen verkleidet werden soll. Die ebenfalls zerstörte Kirche von Maribuhok (Maria Haar) dagegen passierten wir. Ich hatte genug von eingestürzten Kirchen gesehen. Die Messen werden derweil in provisorischen Gebäuden oder unter Zelten gefeiert.
Alona Beach
Für die letzte Nacht quartiere ich mich auf der kleinen Insel Panglao an der Alona Beach ein, weil es nahe am Flughafen gelegen ist. Die Hotels und Restaurants quellen bis zum etwa 300m langen Strand mit weißem Sand. Man zerstört das Schöne, indem man es bis ins letzte auszubeuten versucht. Regelung gibt es vermutlich nur im Nachhinein. Eine typisch philippinische Kopie von irgendetwas. Einmal auf und ab gehend spürte ich, dass das nicht meine Welt ist. Ich überlegte, mein Kreuz in dieser Fremde abzunehmen, entschied mich aber dann, es zu behalten. Ich bin froh, dass ich am nächsten Morgen schon sehr früh aus dem Haus musste.
Der Flughafen selbst war auf das Drängen des Präsidenten hin von heute auf morgen eröffnet worden. Dementsprechend fehlte es außer den für den Flugverkehr nötigen Einrichtungen an allem. Es gibt nur eine Wasserstation, wie man sie bei uns im Warteraum eines jeden Zahnarztes finden kann. Als einziger in einem Buch lesend bin ich wieder von einem anderen Stern.
Der „Sohn Gottes“
Einer der reichsten Philippinos, der auch viel Gutes tun soll, wie mir einer unserer Brüder sagte, sieht sich als „ernannter“ Sohn Gottes und ist Gründer einer Kirche. Voriges Jahr hatte man ihn auf Hawai für ein paar Tage ins Gefängnis gesteckt, weil er in seinem Privatflugzeug einige hunderttausend Dollar, sowie Waffen und Munition mitführte. Er sagt von sich, dass er eines dieser Erdbeben auf Mindanao gestoppt hätte, sonst hätte es noch größere Verwüstung angerichtet. Der Präsident glaubt ihm, wie den Medien zu entnehmen war. Als er gefragt wurde, warum er den darauffolgenden Taifun nicht gestoppt hätte, sagte er, dass die betroffenen Menschen nicht würdig gewesen wären.
Slumschule
Die Party der Slumschule „Puso sa Puso“ war nicht die befürchtete Pflichtveranstaltung. Wir kamen spät und so war es kurz und unterhaltsam. Die Party wird seit Jahren von P. Artur für Kinder aus den Slums organisiert, wobei die Schüler der Slumschule zur Gruppe der Mitarbeiter gehören.
Eines der Bildungsziele ist, dass die Schüler soziale Verantwortung lernen. Das geschieht auch durch Projekte während des Jahres, bei denen für Aktionen in den Slums Geld verdient werden soll. In diesem Jahr wurden etwa 1200 Kinder in zwei Gruppen unterhalten und beschenkt.
Abschluss der Christmas-Party mit Verteilung der Geschenke. (c) P. Josef Wilfing
Zum Organisationsteam zählen auch Freiwillige aus anderen Organisationen sowie Gemeindearbeiter des Barangay „Loyola Heights“. Der Manager unserer Bankfiliale zählt wie seit Jahren zu den Helfern. Die Lehrer der Schule sind dabei sehr engagiert. Einer führte durch das Unterhaltungsprogramm, andere organisierten die Verteilung des Mittagessens und der Geschenke. Den Kindern konnte man die Freude vom Gesicht ablesen, als sie vollbepackt zu den draußen wartenden Müttern kamen.
Feste
An unserem Gründungstag, 8. Dezember, war fast das ganze Vikariat in unserem Haus zu Gast. Da kamen noch einmal vierzig zu uns dreißig hinzu.
Schon eine Woche später feierten wir den 50. Geburtstag von P. Adam. Eingeladen wurden dieses Mal vor allem Leute aus Talon und dem Nachbarort Maymangga, die Kinder- sowie die Jugendgruppe und der Chor.
Und nicht einmal zehn Tage später feiern wir Weihnachten. Die Novizen mit ihrem Novizenmeister P. Hubert nehmen „Urlaub“ vom Noviziat und werden bis zum 2. Januar bei uns bleiben. Zur Messe am Abend waren wie auch letztes Jahr alle verfügbaren Stühle aufgestellt worden und füllten die Kapelle und den Innenhof. Bei der Feier in der Gemeinschaft hörten wir das Evangelium in fünf und Weihnachtslieder in acht Sprachen. Auf Deutsch waren P. Hubert (der Sänger) wie P. Hermann und ich (Mitsänger) die Vortragenden.
Über Weihnachten und Neujahr besuchten uns P. Sunil und P. Krzystof aus aus Rom. P. Krzystof ist für die Ausbildung zuständig und gab zwei Vorträge an die Brüder und hatte mit jedem Einzelnen ein Gespräch. P. Sunil informierte uns über neue Pläne des Generalates mit dem Vikariat Süd-Ost Asien. Ich wünsche euch von Herzen alles Gute für das Jahr 2020.
Ich wünsche euch, dass euch das Jahr glücken möge und grüße euch herzlich von der Insel
P. Josef
Talon, 6. Januar 2020
Aus dem Gefängnis
Es ist ungewöhnlich, dass man im Gefängnis angesprochen wird, und noch ungewöhnlicher ist, dass einem ein Stück der Lebensgeschichte erzählt wird.
Am vierten Adventsonntag begann es hier wie die meisten der Gespräche beginnen: „Woher kommst du?“ Und dann: „Es ist schön, dass du da bist. Sehen wir uns nächste Weihnachten wieder?“ Ich sagte, dass ich hoffte, er sei dann entlassen.
Wenig später setzte er sich neben mich. „Ich akzeptiere, dass ich hier bin. Ich habe viel Böses getan, aber im Gefängnis bin ich wegen einer Sache, die ich nicht getan habe. Ich brauchte ein Jahr, um das zu akzeptieren. Ich haderte mit dem Schicksal. Jetzt bin ich zehn Jahre hier – ohne Urteil. Ich habe das akzeptiert. Gott gab mir die Chance, mich zu bekehren.
Vorraum im Obergeschoss. Da halten sich die Vertreter der Zellen auf. Hier fand die Begegnung statt. (c) P. Josef Wilfing
Ich komme von Luzon. Als Kind konnte ich bei den Steyler-Missionaren (SVD) die Schule besuchen. Das war meine schönste Zeit. Danach gaben sie mir die Möglichkeit, am College zu studieren. Doch während dieser Zeit starb meine Mutter. Ich hatte keine Lust mehr. Ich verließ das College. Ich ging nach Manila, um Arbeit zu haben und Geld zu verdienen – egal wie. Später bewarb ich mich um eine Stelle im Ausland. 28 Jahre arbeitete ich in arabischen, muslimischen Ländern. Ich war fern von Gott. Ich tat alles, was verboten war. Wenn man dort gemerkt hätte, was alles ich tat, hätte man mich vermutlich gehängt.
Ich bin glücklich hier. Was ich in diesen Jahren auf ungerechte Weise verdient habe, habe ich alles verloren. Ich hatte drei Rechtsanwälte, die mich herausholen sollten. Ich habe alles verkauft, auch mein Haus. Meine Frau zog zu ihrer Familie, aber sie steht weiterhin zu mir. Eine Tochter wird mich nach Weihnachten besuchen, meine Frau kann nicht mehr kommen. Gott hat mir die Chance gegeben, mich zu bekehren. Er wird mich von hier herausholen, wenn ich gereift bin.“
„Wie alt schätzt du mich?“
Ich sagte: „Etwa 55 Jahre.“
„Ich bin siebzig.“ Die meisten Philippinos sehen älter aus, als sie sind. „Ich bin krank. Sr. Wioletta besorgt mir die Medikamente, dass ich überleben kann. Ich bin zufrieden hier.“ Das „Ich bin zufrieden hier.“ wiederholte er mehrmals. Er war sich sicher, Gott würde ihn von hier herausholen, wenn er reif wäre, ihm zu begegnen. „Ich bin dankbar für die Chance, die Gott mir gegeben hat, sodass ich mich bekehren und etwas gut machen kann.“ Ich bin glücklich hier.