
Prostitution ist Männersache, Frauenhandel auch!
„Das heutige Datum, der 18. Oktober, ist gefüllt mit einem Weckruf der besonderen Art“, begrüßte Sr. Maria Schlackl, Salvatorianerin und Initiatorin der Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel – Aktiv für Menschenwürde“ die rund 100 Gäste, die diesem Weckruf zum europäischen Tag gegen Menschenhandel gefolgt sind. Das Motto lautete: „Sexkauf fördert Frauenhandel. Liegt im Nordischen Modell ein Lösungsansatz?“
Sr. Maria Schlackl gründete 2014 die Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel – Aktiv für Menschenwürde in OÖ“, die mit dem Preis der Orden 2020 ausgezeichnet wurde. (c) Martin Eder
Der Mann im Mittelpunkt
„Im Mittelpunkt der heurigen Veranstaltung soll der Mann stehen“, so die einleitenden Worte von P. Hans Eidenberger, stv. Leiter der Initiative: „Was bewegt einen Mann dazu, Sex zu kaufen? Wie geht’s einem Mann, wenn er über dieses Thema reden soll? Welche Erfahrungen machen Männer?“, stellte er einige Fragen in den Raum.
Viele Männer wüssten gar nicht, dass Menschenhandel in Österreich ein Thema sei, was mit einem aktuellen Fall aus Tirol aber klar belegt wurde. Er betonte ebenso die Rolle der Sprache von Männern untereinander, die Sprache der Medien und die enorme Aufklärungsarbeit, die hier noch geleistet werden muss.
P. Hans Eidenberger, stv. Leiter der Initiative, betonte die Rolle der Sprache von Männern untereinander, die Rolle der Sprache in den Medien und die Wichtigkeit von Aufklärungsarbeit. (c) Martin Eder
„Niemand kommt als Prostituierte auf die Welt. Niemand kommt als Freier auf die Welt“, so der engagierte Ordensmann. Er findet die spanische Bezeichnung „prostituidor“ treffender als „Freier“, denn „erst durch das Handeln des Mannes, wird eine Frau zu einer Prostituierten.“
Matthäus Fellinger moderierte hierauf einen interaktiven Teil mit dem Publikum, das sich mit neun aktivierenden Thesen zum Thema auseinandersetzte –wie z.B.: „Freier sind nette Männer, die armen Frauen zu einem Einkommen verhelfen.“ „Männer kaufen Frauen, weil sie keine Beziehung führen wollen/können.“ „Prostitution ist staatlich legitimierte Vergewaltigung für Männer.“
Wer sind die Männer, die Sex kaufen?
Der Männer- und Geschlechterforscher Erich Lehner warf einen mit Studien untermauerten Blick auf die Fragen „Wer sind denn die Männer, die Sex kaufen?“ und „Wie viele Männer besuchen mindestens einmal in ihrem Leben eine Prostituierte?“ Laut dem Experten lasse sich das nicht so genau sagen, die Zahlen schwanken sehr stark. Der Experte schätzt, dass sich die Zahl „irgendwo zwischen 10 und 20 Prozent einpendelt.“
Die Jeder-Mann-Hypothese
Seine Erkenntnis aus den Studien lautete: „Es sind Männer wie du und ich – eine sogenannte Jeder-Mann-Hypothese: Männer unabhängig von Alter, Bildung, Beruf, Familienstand etc. kaufen sich Sex. Man kann nicht sagen, es sind diese oder jene!“ Es sind Männer quer durch alle Schichten, Berufsstände etc. und trotzdem gebe es ein paar Erkenntnisse, so der Experte: Der Anteil der 20- bis 40-jährigen ist größer, es sind eher ledige oder geschiedene Männer, weniger verheiratete, der Anteil der Pflichtschulabsolventen ist im Vergleich zum hohen Anteil der Maturanten und Akademiker geringer.
Bei den regelmäßigen Kunden zeigen sich anhand von Studien sehr wohl einige Spezifika, wie zum Beispiel eine Vorliebe für unpersönlichen Sex, eine größere Neigung zu Gewaltfantasien, keine Empathie für die Situation von Prostituierten oder die Tatsache, dass sie Prostituierte grundsätzlich unterschiedlich ("niedriger" als) von anderen Frauen sehen.
Neugier, Zufall, Krise
Was bewegt Männer, sich Sex bei einer Frau zu kaufen? Laut dem Experten sei der Einstieg oft verbunden mit Neugierde, Gelegenheit bzw. Zufall oder einer persönlichen sexuellen Krise.
"Wir brauchen ein anderes Männerbild, auch wenn dies Einschnitte bedeutet", fordert der Forschunsgexperte Erich Lehner. (c) Martin Eder
„Wir brauchen ein anderes Männerbild“
Erich Lehner appellierte an Gesellschaft und Politik, dass das Männerbild endlich thematisiert werden müsse. „Wir brauchen ein anderes Männerbild, auch wenn dies Einschnitte bedeutet. Das ist ein politischer Auftrag“, richtete der Forschungsexperte sein Schlussstatement an die anwesenden Politiker*innen.
Prostitution ist Männersache, Frauenhandel auch!
Inge Bell, Vorstandsvorsitzende SOLWODI Bayern und stv. Vorstandsvorsitzende von TERRE DES FEMMES e.V., hielt ein flammendes Plädoyer für das sogenannte „Nordische Modell“, eine moderne Antwort auf das perfide Ausbeutungssystem der Prostitution.
Sie betonte: „Prostitution ist Männersache, Frauenhandel auch!“ und erklärte: Die Profiteure des gesamten Systems seien immer Männer, die Zuhälter und "Lokal-Betreiber". Nutznießer seien ebenfalls die Freier, die sich den Zugang zu einem Frauenköper kaufen. Und die Verliererinnen in diesem System sind immer die Frauen und Mädchen, weil sie vermeintlich käuflich sind. „Aber kein Mensch ist käuflich! Prostitution ist kein menschenwürdiger Job und kann niemals ein menschenwürdiger Job werden. Es ist kein Job, keine Arbeit, es ist immer Zwang, Ausbeutung und Gewalt“, so die engagierte Expertin.
Inge Bell, Vorstandsvorsitzende SOLWODI Bayern und stv. Vorstandsvorsitzende von TERRE DES FEMMES e.V., ist sicher: "Das Nordische Modell wird kommen, und wir werden es erleben!"(c) Martin Eder
Gesetz „Kvinnofrid“
Die Liberalisierung der Prostitution in Österreich und Deutschland war laut der Expertin gut gemeint, aber leider nicht gut gemacht. Schweden ist vor 20 Jahren einen anderen gesetzlichen Weg gegangen als Deutschland oder Österreich. Mit dem Gesetz „Kvinnofrid“, das auf Deutsch „Frauenfrieden“ bedeutet, beschritt Schweden einen neuen, moderneren Weg im Umgang mit Prostitution.
Heute ist das Modell als „Norwegisches Modell“ bekannt und wurde bereits von vielen Ländern übernommen. Neben Schweden, Norwegen, Island, Irland, Kanada, Frankreich und Israel hat vor Kurzem auch Spanien bekannt gegeben, das nordische Modell einführen zu wollen, „um die Sklaverei und die historische Unterdrückung durch Prostitution zu beenden.“
In Österreich sei das „Nordische Modell“ noch weitgehend unbekannt. Die Initiative SOLWODI und „Aktiv gegen Menschenhandel – Aktiv für Menschenwürde“ setzen sich dafür ein.
Das „Nordische Modell“
Inge Bell erklärte ausführlich, was das „Nordische Modell“ vom österreichischen Weg unterscheidet.
Es ist ein vier-stufiges Modell
1. Anerkennung von Prostitution als Gewalt gegen Frauen.
Prostitution ist nicht vereinbar mit der Menschenwürde und mit der Gleichstellung und -berichtigung von Männern und Frauen. „Es kann nicht sein, dass ein Geschlecht ein anderes Geschlecht kauft“, betonte Bell.
2. Frauen und Mädchen in der Prostitution bleiben straffrei.
„Die Frauen und Mädchen werden entkriminalisiert und es werden ihnen echte! Ausstiegshilfen angeboten.“
3. Freierbestrafung
„Männer, die Sex kaufen, machen sich strafbar.“ Geldstrafen werden für Ausstiegshilfen verwendet.
4. Breite Aufklärung in der Gesellschaft.
„Bereits im Kindergarten, in den Schulen, in der breiten Bevölkerung muss klar und deutlich vermittelt werden, dass es nicht okay ist, sich den Zugang zu Mädchen- oder Frauenkörpern zu kaufen“, erklärte die Expertin das vierstufige Modell.
Eine Erfolgsstory
Inge Bell ist überzeugt: „Das nordische Modell ist eine Erfolgsstory!“ In Schweden passiere trotzdem noch Prostitution, aber ein paar wichtige Dinge haben sich in die richtige Richtung gedreht – zugunsten der Frauen. Frauen dürfen offiziell und öffentlich inserieren, bleiben dabei straffrei und können besser geschützt werden. Die Polizei findet auch die Freier einfacher, diese werden bestraft und die Tat wird namentlich bekannt gemacht. „Es bleibt nichts mehr im Dunkeln.“
Durch den angstfreien Kontakt mit der Polizei, fassen die Frauen leichter Vertrauen zu Polizisten, die geschult sind und ihnen Ausstiegshilfen anbieten. „Die Frau nimmt das vielleicht nicht beim ersten Mal an, und auch nicht beim zweiten Mal, aber vielleicht beim dritten oder vierten Mal.“
Veränderung in der Gesellschaft
Das Nordische Modell habe in Schweden dazu geführt, dass sich der gesellschaftliche Blick stark gewandelt hat. „Es ist in der Gesellschaft völlig inakzeptabel, sich eine Frau zu kaufen. Es ist sogar soweit verankert, dass große Konzerne wie Ikea oder Volvo dieses Gesetz auch in ihren Compliance Richtlinien verankert haben“, erklärt Inge Bell die wichtigen Veränderungen in der Gesellschaft durch das zeitgemäße Gesetzesmodell.
„Das Nordische Modell wird kommen, und wir werden es erleben“, blickte Inge Bell zuversichtlich in die Zukunft.
Der Text wurde übernommen von Renate Magerl, Ordensgemeinschaften Österreich.