P. Josef Wilfings #Inselpost Nr. 18: Vikariat, Abschiede und Wahlkämpfe
Liebe Freunde und Bekannte,
obwohl ferne betrifft mich der Krieg in der Ukraine mehr als jener „vor der Haustüre“ in Jugoslawien vor dreißig Jahren. Dieser war mir in Graz wesentlich näher, ehemalige Schüler waren im Militärdienst an die südliche Grenze abkommandiert, und wir hatten Flüchtlinge im Haus. Diese Auseinandersetzungen hatten auch ihre Grausamkeiten. Ich erlaube mir jetzt nur eine kleine Portion täglicher Nachrichten immer in der Furcht von einer neuen Wahrheit, mit der Unmenschlichkeiten gerechtfertigt werden. Der Krieg in der Ukraine scheint mir die zynische Variante der postmodernen Strategie „global denken – lokal handeln“ zu werden, da der Konflikt weltweite Konsequenzen nach sich zieht, die teilweise bis hierher zu spüren sind. Weiß jemand, frage ich mich, wie man diesen Konflikt zu Ende bringen kann, wenn man die leitenden Personen in Betracht zieht? Die UNO-Resolutionen scheinen so viel wie Luft zu sein, die Sanktionen gleichen einem Schattenboxen, und die Waffenlieferungen verlängern bloß die Agonie der ganzen Welt. Sind wir dort angelangt, wo Reinhold Schneider war, als er schrieb: „Nur den Betern wird es noch gelingen, das Schwert über unseren Häuptern aufzuhalten...“
Vikariat
In der ersten Märzhälfte hielt das Vikariat sein Kapitel im neuen Noviziatsgebäude in Balubad, Silang, ab. Als Abgesandter des Generalates nahm P. Adam Teneta teil. Die Situation hat sich seit dem letzten Mal stark geändert, weil Vietnam als eigenes Vikariat von Rom gegründet worden ist und daher nicht mehr teilnimmt. Sie haben inzwischen genügend eigene Mitglieder mit ewiger Profess. Leider konnten wegen der Coronarestriktionen die chinesischen Mitbrüder nicht kommen.
In der ersten Märzhälfte hielt das Vikariat sein Kapitel im neuen Noviziatsgebäude in Balubad, Silang, ab. (c) P. Josef Wilfing
Erstmalig stellten beim Kapitel die philippinischen Mitbrüder die Mehrheit der Abgeordneten. Es wurden sechzehn Beschlüsse im Rahmen unserer Möglichkeiten gefasst, die mir alle umsetzbar zu sein scheinen, und die jungen Philippinos bringen sich da auch sehr intensiv ein. Am schwierigsten wird wohl die wirtschaftliche Selbständigkeit zu erreichen sein.
Veränderungen
Es wird sich demnächst einiges verändern. P. Hermann geht Anfang Mai zurück nach Deutschland. Er wird eine große Lücke hinterlassen. P. Theeban, P. Prasad und P. Paul haben ihr Zusatzstudium abgeschlossen und gehen in ihre Heimatländer zurück: Sri Lanka (das derzeit von einer Krise gebeutelt wird von der Regierung selbst verursacht), Indien und Vietnam. P. Adam hat drei Perioden als Superior des Vikariates und des Hauses absolviert und muss ersetzt werden. P. Francis von Vietnam soll nach seinem Zusatzstudium in Rom neu zu uns kommen. Spätestens im Juni werden wir über die neue Aufgabenverteilung und vielleicht andere Aushilfen Bescheid wissen. Ich für mich erwarte kaum Änderungen.
Talon
Ende März feierten wir den Studienabschluss der neun Brüder des vierten Jahrgangs. Einige oder gar alle werden ins Noviziat gehen. Zwei unserer Studenten wurden für ihre Leistungen verschiedentlich ausgezeichnet. Ein paar können jetzt die Möglichkeit für einen Heimaturlaub nützen. Einige Verbindungen sind wieder möglich, allerdings sind die Flüge in manche Regionen äußerst teuer geworden sind. Die Coronabeschränkungen erlauben noch keine Reisen nach China, weil eine Rückkehr von dort nicht gesichert ist.
Die Neun mit P. Hermann, P. Theeban, mir und P. Adam. 4 mit Hut - normaler Studiengang (4 Jahre), 5 ohne Hut (hatten schon einen Collegeabschluss in ihrem Land (2 Vietnam, 3 China) und mussten nur noch Ergänzungsfächer belegen: 2 Jahre. (c) P. Josef Wilfing
Inzwischen haben wir mit der verbleibenden Gruppe einschließlich Noviziat Ostern gefeiert. Die Ferien werden auch für ein mehrteiliges Seminar zur Persönlichkeitsbildung genutzt, dessen Einheiten jeweils drei Tage dauern. Und einmal werden wir wohl auch zu einem mehrtägigen Ausflug ans Meer aufbrechen, was in den letzten beiden Jahren nicht möglich war. Der Schweinestall erhält ein neues Dach. Die zweite Hündin hat jetzt auch fünf Junge bekommen, vier davon weiblich, sodass auch deren Zukunft gesichert ist.
Die neu gestaltete Mariengrotte mit der neugefassten Statue. (c) P. Josef Wilfing
P. Adam hat etwa dreißig Papayabäumchen gepflanzt – auch hier vorausschauend, wobei wir von den alten seit November immer wieder gegessen haben. Etwa fünf haben ihren Geist aufgegeben. Die heutigen Züchtungen tragen oft nur zwei bis drei Jahre Früchte, dann brechen sie zusammen. Männliche Papaya tragen nur Blüten aber keine Früchte (habe ich auch gelernt), wobei man auf Ost-Timor auch die Blüten für die Küche verwendet.
Philippinen
Die Coronaeinschränkungen sind noch nicht alle aufgehoben, sodass wir in unseren Aktivitäten nach außen weiterhin behindert sind. Wahlveranstaltungen mit 200.000 Teilnehmern und mehr finden zwar statt. In seriösen Zeitungen wird schon gemunkelt, ob es wieder einen Anstieg der Zahlen geben wird, wie es sich jetzt schon in manchen Regionen andeutet.
Die Philippinen leiden derzeit unter den Wahlkampagnen. Die Lautsprecherwagen terrorisieren die Bevölkerung. Neben den fünf Präsidentschaftskandidaten lautsprechern auch mehrere um einen Platz im Senat. Für die Präsidentschaft liegt der Sohn des ehemaligen Diktators Marcos in den Umfragen mit großem Vorsprung vorne. Wie in der Ukraine beansprucht auch hier die Lüge, eine Sicht der Wahrheit zu sein, die über verschiedenste Social-Media-Dienste verbreitet wird. Diese Art der Wahrheit wird seit sechs Jahren konsequent verbreitet.
Gruppenfoto nach der Osternachtsfeier: Philosophiestudenten und Novizen. (c) P. Josef Wilfing
Die Zeit der Diktatur als „goldene Zeit“ hat es sogar bis in die Schulbücher geschafft. Aus meiner Sicht wäre seine Wahl eine Katastrophe für das Land. Von den vielen Fragen, die zu stellen sind, ist die eine vielleicht die wichtigste: Wie kann einer, der sich vor den Fragen von Journalisten fürchtet und Diskussionen im TV meidet, ein Land leiten? Wer werden die Leute sein, die das Land im Schutz seines Gesichtes regieren werden? Wo die Lüge Prinzip ist, ist alles durchseucht. Sie wird sich vielfach wiederholen. Viele hoffen auf die derzeitige Vizepräsidentin Leni Robredo, die in vielerlei Hinsicht etwas Gutes für die Philippinen bringen könnte, und die die einzige ist, die bereits einerseits ein umfassendes Programm vorweisen kann, und die andererseits auch wirklich Kontakt zu den (einfachen) Menschen hat. Sie kennt auch die sozialen Schmerzpunkte des Landes und war immer dort gegenwärtig, wenn Menschen von Katastrophen betroffen waren. Sie kann führen und ist persönlich integer, soweit man das sagen kann. Wir werden mit den Slogans behämmert, die von Lautsprecherwagen durch die Dörfer gefahren werden, und wenn zwei gleichzeitig da sind, sich gegenseitig überschallen. Die Inhalte sind zweitrangig. Zwischen den Ohrwürmern mit einem Werbetext für den Kandidaten oder die Kandidatin werden nur deren Namen und die Listennummer deutlich herausgeschrieen. Mit den ständigen Wiederholungen wird alles zu Stumpfsinn degradiert. Zwei Wochen noch. Wir hoffen auf das Beste.
Persönlich
Wegen der Einschränkungen bin ich nur wenig gefordert. Ich mache meine Sache für die Finanzen. In der Zwischenzeit arbeite ich an einigen Büchern, die ich in Österreich gelesen habe und jetzt für kurze Impulsvorträge übersetzen will, damit ich für das neue Studienjahr, das im Juni beginnt, gerüstet bin.
Chiliernte. (c) P. Josef Wilfing
Im Übrigen ist die Trockenzeit angebrochen, die doch schon öfters Regen gebracht hat. Die Sonne nähert sich dem Zenit, bevor sie nach Norden weiterwandert. Im August wird sie wieder zurück sein und die Taifunzeit bringen. Die Ofper des letzten Taifuns gehen vor allem auf Erdrutsche zurück, die von Abraumhalden verursacht wurden, die die Bergbaufirmen mit wenig Stabilität hinterlassen haben. Auf diese Weise sind ein Dorf und größere Anzahl einzelner Häuser verschüttet worden. Br. Michael kommt aus der betroffenen Gegend und wird mit P. Wilson einen kleinen Hilfstransport zusammenstellen.
Bleibt gesund und zuversichtlich! Ich sende euch herzliche Grüße von der Insel
P. Josef
Talon, Amadeo, Philippinen,
26. April 2022