P. Josef Wilfings #Inselpost Nr. 21: Regenzeit, Ferien, Geburtstag und ein kurzes Hemd
Liebe Freunde und Bekannte,
die Zeit verfliegt. Inzwischen sind drei Monate vergangen. Wir erleben in diesem Jahr auch nach den Aussagen von P. Hubert die Regenzeit intensiver als normal. Nur in den letzten fünf Tagen waren wir ohne Regen. Aber es keine größeren Schäden ausgenommen der Taifun. Der Wind hatte nur etwas über 100km/h, sodass dadurch weniger Schäden angerichtet wurden. Aber weil sich der Taifun langsam bewegte und dann vom Süden Richtung Norden die Inseln entlang zog, brachte er viel Wasser – auch in der Hauptstadt Manila.
Der Wirbelsturm bewegt sich an jeder Stelle in eine andere Richtung. Bei uns war im Innenhof zuerst die Westseite, dann die Südseite und zuletzt die Ostseite vom Sprühregen nass. Obwohl wir vor dem Haupteingang ein Dach über dem Autoabstellplatz haben, trieb der Wind die Tropfen bis zur Eingangstüre. Kleinere und weniger befestigte Häuser werden da sicher mehr leiden als wir. Das Spinnennetz und die Spinne zwischen den Zweigen vor meinem Fenster haben den Taifun überlebt.
Talon
Inzwischen bin ich siebzig. Das ist kein Verdienst sondern eher ein Geschenk. Solange ich Kind war, fühlte sich das als „uralt“ an. Wenn ich Kaffee trinke, spüre ich das Alter nicht, aber beim Binden der Schuhe merke ich schon manche Einschränkung. Klagen kann ich keineswegs. Man hat ein kleines Fest initiiert mit ein paar üblichen Gästen, natürlich alle Novizen, und dann die Salvtorianerinnen in großer Zahl, weil sich die Provinzleitung gerade im nahegelegenen Buho getroffen hatte, und einige von den Ursulinenschwestern.
Vinoy (Novizenmeister), P. Hubert (Superior), P. Theeban, Sr. Irma. (c) P. Josef Wilfing
Maria Pieberl hatte ein paar Gstanzl gedichtet und mit ein paar Studenten vorgesungen. Das „Holadaridio ...“ klingt auf philippinisch (unsere Schwestern philosophierten darüber) wie „Wala na dito, wala naya“, was so viel bedeutet wie „Er ist nicht mehr da.“ Oder: „Er ist gestorben.“ Alle schienen sich wohl gefühlt zu haben. Später habe ich nach vielen Jahren wieder eine Pantomime versucht, die sicher noch ausbaufähig und verbesserbar ist. Dann begann der lärmige Teil des Festes mit der Band und den Gesängen und Tänzen der Ost-Timoresen.
P. Theeban
wurde nach sechs Jahren auf den Philippinen am 15. Oktober mit einem kleinen Fest verabschiedet. Beim Feuer habe ich das erste Mal eine Wespenlarve gegessen, die tags zuvor mitsamt dem Nest von einem Baum entfernt worden waren. Er war zur Weiterbildung hierher gekommen und hat an der Jesuiten-Universität Ateneo in Manila das Licentiat erworben. Gleichzeitig wirkte er in der Ausbildung mit und wohnte zuerst im Haus in Loyola, das nahe bei der Universität liegt, und ab der Zeit der Pandemie bei uns in Talon, da die Vorlesungen wir überall online abgehalten wurden. Er wird jetzt auf Sri Lanka eine neue Aufgabe übernehmen.
Ende September starb der Vater von P. Hubert. Die Anzeichen eines nahen Todes waren gegeben, obwohl man nie weiß, wann die letzte Stunde schlägt. Er hatte das Glück seinen Reisepass vom Einwanderungsbüro zurückzuerhalten, sodass er nach Hause fliegen konnte. Anfang November starb dann etwas überraschend auch der Vater von P. Adam. Er flog auch zur Beerdigung nach Hause.
Abschied P. Theeban. (c) P. Josef Wilfing
Inzwischen ist P. Tadeusz zu uns gekommen. Er unterrichtet in La Salette Politische Philosophie und Soziallehre der Kirche und verstärkt unsere Gemeinschaft.
Paula ist entkommen
Wichtige Sondermitteilung an alle Freunde von Paula. Sie ist ihrem Gefängnis entkommen und hat sich selbst renaturiert. Bisweilen erscheint sie vor der Küche und bittet um etwas Essen oder grüßt uns vom Dach der Garage. Größtenteils hält sie sich noch in unserem Garten auf. Sie wird aber wohl auch die weitere Umgebung nach Essbarem absuchen. Ob sie irgendwo Schaden anrichtet, haben wir bis jetzt nicht erfahren.
Paula ist entkommen. (c) P. Josef Wilfing
Aus der Tierwelt
Nicht nur Paula hat sich verändert. Wir hatten inzwischen 15 Welpen, die wir alle weitergeben konnten. Ein Nachbar hat sich vielleicht einen Zuverdienst geschaffen. Eine Mutterkatze mit ihren drei Kätzchen konnten wir an Schwestern aus Indonesien weitergeben. Somit gibt es ein wenig Entlastung für uns.
Visitation
Von Generalat kamen P. Sunil (Indien) und P. Lukaku (Tansania) zur Visitation. Inzwischen bin ich an diese Art von Besuchen gewöhnt. Nachdem ich nicht mehr Mitglied der Konsulta bin, war ich in die ganze Sache auch nicht wirklich involviert. Ich hatte nur ein längeres Gespräch, in dem es um die Finanzen ging. Einfach: Das Hemd ist kurz.
Ferien am Meer
Die Semesterferien nützten wir für zwei Ausflüge. Den einen ans Meer zu dem Resort, in dem wir auch beim letzten Meeraufenthalt waren. Leider konnten wir nur einmal kurz im Meer schwimmen, weil der nahende Taifun bereits höhere Wellen bewirkte. Die Küstenwache rief uns zurück ans Ufer. Der Chef des Resorts spendete für das Mittagessen „Pansit“, etwas typisch Philippinisches. Während zu Mittag ein starker Regen begann, hatten sich drei kleine Buben auf das Areal geschlichen und wurden von unseren Brüdern mit den Resten des Mittagessens gesättigt. Danach nahmen sie noch an einem Tanz, der von den Ost- Timoresen angeführt wurde, teil. Die Wächter trugen ihnen allerdings auf, sie wieder hinauszuschicken.
P. Josef Wilfing
Die Wasserfälle von Pagsanjan
Der zweite Ausflug brachte uns zuerst zu den berühmten Wasserfällen von Pagsanjan (Vietnamfilm Platoon) und dann noch ungeplant zu den Hulaban Fällen. Zu den ersteren kamen wir dieses Mal von oben, von Cavinte aus, über Stiegen und steile Leitern und mit einem kurzen Stück, an dem wir abgeseilt wurden. Eine Gruppe konnte mit dem Floß unterhalb des Wasserfalles gebracht werden, der wegen der anhaltenden Regenfälle viel Wasser führte.
Die Gruppe vor dem Pagsanjan-Fall. (c) P. Josef Wilfing
Am Rückweg entfiel den Begleitern das Seil, sodass wir etwas abgetrieben wurden. Was allerdings keine Gefahr mit sich brachte, weil das Floß zu breit war und so nicht zwischen die Felsen durchgedrückt werden konnte. Die Begleiter brauchten einige Zeit, um uns wieder zurück zu bringen. Der folgende Aufstieg war sehr anstrengend und ermüdend für mich. Den Jungs hat es allerdings sehr gefallen.
Leider kamen wir etwas zu spät zu den Hulagan Fällen, sodass wir vom Führer nur zum ersten und größeren gebracht wurden, der allerdings sehr beeindruckend war. In 100m Entfernung war ich innerhalb kürzester Zeit total durchnässt, weil der Wind den Sprühregen uns entgegen trieb.
Feiern
Das größte Ereignis war die Weihe von sechs Mitbrüdern zu Diakonen und einem vietnamesischen Bruder, der in Tansania studierte und dort zum Diakon geweiht wurde, zum Priester. Wir mieteten für diesen Zweck die Kirche und die Sporthalle der Steyler Missionare (Mödling, SVD).
Manila
Die Slumschule „Puso sa Puso“ hat ab nächstem Jahr auch die Berechtigung erhalten, die Ausbildung bis zur Matura zu begleiten und zu organisieren. Da werden wohl nur einige der Studierenden betroffen sein, aber es ist ein wichtiger Schritt. Die Matura ist hier schon Voraussetzung nicht nur für ein Studium sondern auch für einfache Anstellungen als Verkäufer.
Cyrillus (Indonesien), Dominic, Peter und Josef (Vietnam), Bischof Reynaldo, Josef und Anthony (Vietnam), Michael (Philippinen) (c) P. Josef Wilfing
Philippinen
Über die Regierung Marcos Jr. gab es bis jetzt kaum Beschwerden. Der Drogenkrieg wird weitergeführt aber mit wesentlich weniger Opfern. Der Kampf gegen den Drogenhandel ohne Opfer könnte wohl realitätsfern sein, so leid es einem tun mag. Nachdem er selbst interimistisch dem Agrarressort vorsteht, hat er diesem für das nächste Jahr ein um 23% höheres Budget genehmigt, von dem durch Aufträge auch seine Wahlunterstützer profitieren sollen. Das hat die Nachfrage eines Abgeordneten an eine Unterstützerin des Präsidenten ergeben.
Das Budget der Vizepräsidentin, Sarah Duterte, die das Erziehungsministeriums leitet, wurde dagegen gekürzt und das weit unter das von der UNO empfohlenen Mindestmaß. Wie soll dieses Ministerium den Anforderungen genügen können, da es bei dieser hohen Anzahl von Kindern immer schon unterdotiert war? Nebenbei aber erhält sie ein außerordentliches Budget, über das sie frei verfügen kann. Da kenne sich jemand aus.
Das Parlament ist Souverän über das Budget und wird wohl das meiste durchwinken, da die Unterstützer des Präsidenten über die Mehrheit verfügen.
Inzwischen sorgt der Mord an einem Journalisten für Aufregung. Der Mord wurde wohl vom Gefängnis aus organisiert und man weiß nicht, ob nicht der Gefängnisdirektor selbst einer der heimlichen Organisatoren war. Von seinem Büro aus soll jedenfalls der Anruf in eine der Zellen ergangen sein, von wo aus ein Insasse mit seinem Mobil-Telefon den Auftrag gab. Handy, im Englischen „cell phone“ hat in den Hochsicherheitstrakten hier wohl seine originäre Bedeutung erhalten. Diese wurden irgendwie hineingeschmuggelt oder einfach übersehen.
Bei einer Razzia in diesem Gefängnis sammelte man über 7.000 Bierdosen ein, mit denen offensichtlich auch schwunghafter Handel betrieben wurde. Die Kosten pro Dose lagen bei etwa 1.000 Pesos, das ist das Zwanzigfache des Handelspreises.
Seit meinen viereinhalb Jahren auf den Philippinen ist der Direktor des wichtigsten Gefängnisses schon mehrmals ausgewechselt worden, jedes Mal mit etwa der selben Begründung: Zusammenarbeit mit den Insassen des Hochsicherheitstraktes. Kritische Journalisten leben weiterhin gefährlich.
Der Sohn des Justizministers ist des Kaufs einer größeren Menge an Drogen überführt worden. Die Menge überstieg bei weitem den persönlichen Gebrauch, sodas einige ihn auch als Händler verdächtigen. Die Nachrichten drangen erst spät an die Oberfläche. Der Justizminister hat als einfacher Abgeordneter unter der vorherigen Regierung noch die Einführung der Todesstrafe für Drogenhändler unterstützt. Vielleicht wird er es jetzt unterlassen, Schritte in diese Richtung zu unternehmen.
Persönlich
Persönlich geht es mir gut. Nachdem ich jetzt auch einen Teil der Verwaltungsarbeit hier übernommen habe, sind meine Tage auch damit ein wenig gefüllt. Das Einkaufen überlasse ich im wesentlichen P. Hubert und dem Koch oder auch einem der Wächter. Ich muss nur dafür sorgen, dass Geld vorhanden ist und die Einnahmen und Ausgaben richtig verbucht sind.
Rambutan - die köstlichste Frucht hier. (c) P. Josef Wilfing
Ich wünsche euch allen eine gesegnete Zeit im Advent und frohe Weihnachten und grüße euch herzlich.
Bleibt gesund und zuversichtlich!
P. Josef Wilfing
Talon, Amadeo, Philippinen
1. Dezember 2022